Wie eine Amputation des Herzens

Wenn ein Kind stirbt, sterben die Eltern innerlich gleich mit. Das eigene Leben scheint schlagartig zu Ende zu sein. Der Weg zurück in den Alltag ist für verwaiste Eltern lang. Die Trauer bleibt.

Das Leben scheint zu Ende. Den Tod des eigenen Kindes erleben zu müssen, ist für Eltern ein schwer hinzunehmendes Trauma:


    

"Wenn ein Kind stirbt, zerstört dies nicht nur unsere Hoffnungen und Träume für die Zukunft, sondern zwingt uns zugleich, uns einem Ereignis zu stellen, das wir nicht zu akzeptieren bereit sind. Viele Menschen bezweifeln dann, dass das Leben jemals wieder einen Sinn bekommen wird."

  

Aus der Broschüre 'Trauer über den Tod eines Kindes' von Christoph Student

Das Weiterleben wird schier unmöglich

Man sei wie aus der Welt gefallen, es verbinde einen nichts mehr mit der Welt, man gehöre nicht mehr dazu - von solchen Empfindungen berichten betroffene Eltern immer wieder. Der Frühling, Weihnachten, die Zeit um den Todestag - das sind Zeiten, die für viele Mütter und Väter lange Jahre schwer erträglich sind.

Oft zerbrechen an der Trauer oder an der unterschiedlichen Art, mit diesem Verlust umzugehen, die Partnerschaften der verwaisten Eltern.

Der Freundeskreis verändert sich

Auch aus ihren Freundeskreisen ziehen sich Eltern, deren Kind gestorben ist, zurück. Feiern und geselliges Beisammensein sind für sie eine Qual. Sie fühlen schmerzhaft das Unverständnis der Anderen, wenn sie auch nach Jahren der Trauer nicht aufhören können, von ihrem Kind zu erzählen. Sie fühlen  Bitterkeit, wenn andere von ihren gesunden, lebenden Kindern berichten.

Manche Eltern finden neue Freunde unter Menschen, mit denen sie ein ähnliches Schicksal verbindet. Die auch verstorbene Kinder betrauern.

  

Tipps von Trauernden für Trauernde

  • Reden Sie regelmäßig mit Ihren Freunden. Erzählen Sie, was in Ihnen vorgeht und was Sie fühlen. Für Situationen, in denen niemand greifbar ist, bitten Sie jemanden, Ihr "Telefonfreund" zu sein, den Sie im Notfall anrufen können.
  • Tragen Sie etwas an oder bei sich, das sie mit dem Verstorbenen verbindet - Schmuck, ein Souvenir, ein Kleidungsstück.
  • Legen Sie ein "Buch der Erinnerungen" an, das sie sich stets ansehen und anderen zeigen können.
  • Schreiben Sie über Ihre Gedanken und Gefühle, führen Sie ein Tagebuch: Seien Sie darin so ehrlich wie möglich.
  • Schreiben Sie an den verstorbenen Menschen: Briefe, Gedichte. Das hilft besonders in der ersten Zeit.
  • Sagen Sie den Menschen, was Sie brauchen und was Sie sich wünschen.
  • Pflanzen Sie etwas zum Andenken an den verstorbenen Menschen.
  • Erinnern Sie sich an Ihre Träume, vielleicht führen Sie ein Traumtagebuch.
  • Nutzen Sie Orte und Gegenstände, die Sie an den verstorbenen Menschen erinnern - aber nur, wenn Sie merken, dass es Ihnen hilft.
  • Zünden Sie täglich eine Kerze als Erinnerung an - morgens oder beim Essen.
  • Gestalten Sie zu Hause einen Platz für das Gedächtnis: mit Fotos, einem wichtigen Gegenstand, Kerzen.


Wenn ich eines Tages gehen muss, tue ich das nicht wirklich.

Du kannst mich dann nur nicht mehr sehen, nicht mehr berühren.

Aber ich werde immer da sein, egal wo du bist.

Werde der Wind sein, der zärtlich durch dein Haar streicht,

der Regen, der sanft deine Haut berührt,

der Regenbogen am Horizont, der dir die schönsten Farben schenkt,

die Sonne, die dich wärmt und mit dir lacht,

der Duft von Sommer, den du einatmest,

die Erde auf der du gehst,

die Nacht, in der ich für dich die Sterne erstrahlen lasse,

der Tag, der dir tausend Überraschungen bringt,

die Hoffnung, die dich trägt, wenn du traurig bist,

dieses Gefühl was in dir ist, wenn du glücklich bist.

Du kannst mit mir reden,

ich werde dich immer hören oder einfach weinen,

dann nehme ich dich in meinen Arm und du wirst dich frei fühlen.

Ich werde über deinen Schlaf wachen und dir wundervolle Träume schenken.

Du brauchst keine Angst zu haben, wenn du daran glaubst.

Du bist niemals allein, weil ich immer da sein werde,

wenn du an mich denkst so wie ich an dich.

 

(Verfasser unbekannt)

 

 

 

 

Der Tag X

 

Egal wo, egal wann, egal wie -

die Nachricht war immer die gleiche -

"Dein Kind ist tot"!

 

Mit einem mal fühlst du dich hineingeworfen in diesen Irrgarten. Du stehst da; alles sieht gleich aus - Wände,

Ecken, Dunkelheit, Kälte, Härte - und kein Ausgang. Wo sollst du hin? Willst du überhaupt irgendwohin?

Wie willst du den Ausgang finden?

 

Deine Gefühle: Ohnmacht, Angst, Fassungslosigkeit, Wut, Leere - alles Gefühle der Trauer!!!

 

... und du mittendrin !?

 

Aber du bist nicht allein. Da sind noch die anderen, die genau wie du, nichts sehen, weil sie im Dunkeln stehen.

 

Vielleicht ist da aber jemand bei dem sich die Dunkelheit schon etwas gelichtet hat. Wenn du möchtest, dann sprich ihn an und er kann dir den Weg aus dem Irrgarten zeigen.

 

. . .

 

Dann stehst du vor einem neuen Weg. Dieser Weg führt dich in ein Labyrinth. Auch dort ist der Weg nicht immer leicht zu erkennen, aber dort ist es heller, vielleicht scheint dort auch schon etwas die Sonne. Diese Wege sind nicht immer einfach, aber sie haben keine Ecken mehr, wenn du irgendwo anstößt tut es vielleicht nicht mehr ganz so weh.

 

Du wirst immer mal wieder feststellen, dass der Weg den du genommen hast vielleicht nicht dein richtiger Weg ist. dann kehre einfach um und nimm einen anderen Weg. Mit jedem Schritt den du tust, auch mit dem vermeintlich falschen, wird es ein wenig heller.

 

Und - auf dem Weg zur Mitte des Labyrinths findest du wieder Leute wie dich und mich. Geh mit ihnen, lass dich begleiten - zur Mitte des Labyrinths, wo du Dich findest, deine Mitte, deine Ruhe, deine innere Kraft und Stärke -

                                 (Sandra Kollwitz)

 

...

 

Die Parabel von den Zwillingen

Es geschah, dass im Schoß einer Mutter Zwillingsbrüder empfangen wurden. Die Wochen vergingen, und die Knaben wuchsen heran. In dem Maß, in dem ihr Bewustsein wuchs, stieg ihre Freude.

"Sag, ist es nicht großartig, dass wir empfangen werden? Ist es nicht wunderbar, dass wir leben?" 

...

Die Zwillinge begannen ihre Welt zu entdecken. Als sie aber die Schnur fanden, die sie mit ihrer Mutter verband und die ihnen die Nahrung gab, da sangen sie vor Freude.

"Wie groß ist die Liebe unserer Mutter, dass sie ihr eigenes Leben mit uns teilt!"

...

Als aber die Wochen vergingen und schließlich zu Monaten wurden, merkten sie plötzlich, wie sehr sie sich verändert hatten. "Was soll das heißen?" fragte der eine.  "Das heißt", antwortete ihm der andere, "dass unser Aufenthalt in dieser Welt seinem Ende zugeht." "Aber ich will gar nicht gehen", erwiderte der eine, "ich möchte für immer hier bleiben."

"Wir haben keine andere Wahl", entgegnete der andere, "aber vielleicht gibt es ein Leben nach der Geburt!"

...

"Wie könnte dies sein?" fragte zweifelnd der erste, "wir werden unsere Lebensschnur verlieren, und wie sollten wir ohne sie leben können? Und außerdem haben andere vor uns diesen Schoß verlassen, und niemand von ihnen ist zurückgekommen und hat uns gesagt, dass es ein Leben nach der Geburt gibt. Nein, dies ist das Ende!"

...

So fiel der eine von ihnen in tiefen Kummer und sagte: "Wenn die Empfängnis mit der Geburt endet, welchen Sinn hat dann das Leben im Schoß?  Es ist sinnlos. Womöglich gibt es gar keine Mutter hinter allem:"

"Aber sie muss doch existieren", protestierte der andere, "wie sollten wir sonst hierher gekommen sein? Und wie könnten wir am Leben bleiben?"

...

"Hast du je unsere Mutter gesehen?" fragte der eine. "Womöglich lebt sie nur in unserer Vorstellung. Wir haben sie uns erdacht, weil wir dadurch unser Leben besser verstehen können." Und so waren die letzten Tage im Schoß der Mutter gefüllt mit vielen Fragen und großer Angst. Schließlich kam der Moment der Geburt.

...

Als die Zwillinge ihre Welt verlassen hatten, öffneten sie ihre Augen.

Und was sie sahen, übertraf ihre kühnsten Träume.

                                     (Kurt Tucholsky)   

 

...

 

Denen treu bleiben, die gestorben sind,

heißt, so zu leben, wie sie gelebt hätten.

Und sie in uns leben lassen.

Und ihr Gesicht, ihre Stimme, ihre Botschaft

anderen bringen.

Einem Sohn, einem Bruder oder Unbekannten,

anderen, wer immer sie sind.

Dann wird das Leben, wenn auch vom Tode verstümmelt,

immer weitergehen, von neuem erblühen.

                                 (Martin Grey)